Durch politische Umwälzungen wie den Ukraine-Krieg und Herausforderungen im Energieversorgungssystem kam es ab 2021 zu einer Verknappung des Gasangebots. Dieser vorübergehende Versorgungsengpass hat den Gaskonsum in den Fokus gerückt. Um die Veränderung des Konsumverhaltens zu beobachten, haben wir den erwarteten Gasverbrauch geschätzt und festgestellt, dass der effektive Verbrauch seit Herbst 2023 nur leicht unter der Modellschätzung liegt. Fazit: Es gab in der Heizperiode 2023/2024 kaum signifikante Einsparungen gegenüber den erwarteten Gasverbräuchen.
Unsere Analyse nutzt den neuen Datensatz des stündlichen Gasverbrauchs, der kürzlich auf dem «Open Government Data»-Portal des Kantons Basel-Stadt veröffentlicht worden ist. Die Daten werden von den Industriellen Werken Basel (IWB) bereitgestellt, beginnen im September 2021 und haben eine zeitliche Auflösung von einer Stunde. Sie decken den totalen Gasverbrauch im Versorgungsgebiet der IWB ab. Der Gasverbrauch folgt einem saisonalen Zyklus: Der Grundverbrauch in den warmen Monaten beträgt etwa 3 Gigawattstunden (GWh) pro Tag, und steigt an den kältesten Tagen auf fast 20 GWh an. Der Gesamtjahresverbrauch war 2023 leicht tiefer als 2022 (2 502 GWh bzw. 2 680 GWh). Der Monat mit dem höchsten Gasverbrauch in jeder verfügbaren Heizperiode ist der Januar 2022 (533 GWh), gefolgt von Januar 2024 (439 GWh) und Dezember 2022 (391 GWh).
Der Gasverbrauch hängt von vielen Faktoren ab, wie z. B. der Lufttemperatur. Schulferien, Feiertage oder Wochenenden, an denen ein Teil der Bevölkerung nicht zu Hause ist, können den Verbrauch senken. Das Gegenteil kann während der Herbstmesse der Fall sein, wenn Basel stärker besucht wird. Diese Beispiele zeigen, dass ein direkter Vergleich zweier ähnlicher Zeiträume nicht korrekt ist (z. B. November 2022 vs. November 2023). Stattdessen wird der erwartete Gasverbrauch anhand von Einflussfaktoren durch ein statistisches Modell berechnet und mit dem tatsächlichen Gasverbrauch verglichen. Der Vergleich hilft bei der Beantwortung der Frage, ob die Bevölkerung im Vergleich zu früheren Zeiträumen Gas spart oder nicht.
Wir verwenden einen linearen Regressionsansatz, wobei der Gasverbrauch mit Wettervariablen (Globalstrahlung, durchschnittliche Lufttemperatur und relative Luftfeuchtigkeit), Veranstaltungen (Ferien, Feiertage und Herbstmesse) und Energiesparkampagnen (September 2022 bis Januar 2023) erklärt wird. Zusätzlich werden jährliche und wöchentliche Zyklen berücksichtigt.
Das Modell wurde mit einem maschinellen Lernverfahren berechnet, bei dem die Zeitreihe der Daten zufällig in zwei Datensätze (Trainings- und Test-Etappe) aufgeteilt wurde, d. h. die beiden Datensätze entsprechen nicht kontinuierlichen Zeiträumen. Das Modell wurde basierend auf 70% der Daten berechnet, wobei 30% des Datensatzes für die Test-Etappe verwendet wurden. Die Leistung des Modells, d. h. wie gut das Modell eine Beobachtung schätzen kann, sollte in der Trainingsphase hoch sein und in der Testphase nicht abnehmen. Unser Modell hat dieses Ziel erreicht und erklärt mehr als 95% der Variabilität des Gasverbrauchs auf der Grundlage der ausgewählten unabhängigen Variablen.
Das Modell wurde mit Daten von September 2021 bis Ende Juli 2023 geschätzt. Die Daten ab August 2023 werden als Prognosezeitraum verwendet. Dabei zeigt sich, dass der effektive Gasverbrauch in der letzten Heizperiode 2023/2024 um den geschätzten Wert schwankt. Kurzzeitig lag der Verbrauch mehrfach unter den Prognosen, insbesondere in der zweiten Januarwoche 2024. Generell liegt der tatsächliche Verbrauch jedoch selten außerhalb des 95%-Konfidenzintervalls der Prognose, d. h. an den meisten Tagen kann kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen Beobachtung und Schätzung festgestellt werden.
Bei der Interpretation der Resultate sind die Grenzen des Modells zu beachten. Für die Prognosen werden Modellschätzungen verwendet, welche auf Daten aus einem Zeitraum mit ausserordentlichen Rahmenbedingungen («Gaskrise») beruhen. Obwohl im Modell zum Beispiel die Energiesparkampagnen berücksichtigt sind, können die Modellresultate mit der aktuellen Datengrundlage trotzdem ein verzerrtes Bild des «üblichen» Gasverbrauchs wiedergeben.
Alle im Modell verwendeten Variablen sowie der stündliche Gasverbrauch sind auf dem Datenportal Basel-Stadt öffentlich zugänglich. Der Analysecode (Software R) ist ebenfalls im Bereich «Methodische Grundlagen» veröffentlicht. Eine Aktualisierung des Modells ist für Herbst 2024 geplant.